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Die Vielfalt der Musiktherapie

01.12.2023

Ein kleiner Einblick in die zahlreichen Anwendungsgebiete der Musiktherapie in der BDH-Klinik Greifswald

Die Vielfalt der Musiktherapie

Wenn ich an Musiktherapie denke habe ich sofort ein Bild vor Augen in dem mehrere Patienten in einem Raum sitzen und an verschiedenen Instrumenten vorgegebene Melodien nachspielen.
Dass Musiktherapie aber so viel mehr ist, konnte ich kürzlich selbst eindrucksvoll erleben.
Ich habe unsere Musiktherapeutin Silja Molle einen Vormittag bei ihrer Arbeit begleitet und war von der Vielfalt ehrlich überrascht.


Es ist kurz vor 07 Uhr als ich mich mit Silja Molle, unserer Musiktherapeutin in der BDH-Klinik Greifswald treffe. Für mich persönlich ist das viel zu früh, doch Silja bereitet sich von Montag bis Freitag gegen 06:45 Uhr in der Klinik auf den Tag vor um ihre ersten Patienten in den Tag zu begleiten.

Pünktlich um 7 Uhr rollt der Musikwagen auf Station B2, unsere Intermediate Care-Station und Silja hängt ein Schild mit dem Hinweis "Musiktherapie" an die Tür, um ungestört arbeiten zu können. Das Zimmer ist noch dunkel, aber sie beginnt mit sanften Xylophonklängen, gefolgt von der Gitarre, einer summenden Stimme und einem Lied. Das Zimmer bleibt gedämpft beleuchtet. Am Ende gibt sie kurze Informationen über den Tag, das Datum, das Wetter oder bevorstehende Ereignisse. Im Idealfall stimmt sie sich mit dem Pflegepersonal oder Therapiekollegen ab, damit sie danach für Waschungen ins Zimmer kommen können.

Eine viertel Stunde später geht es zum nächsten Zimmer mit zwei weiteren, noch schlafenden Patienten. Mir fällt auf, dass der Ablauf absolut identisch zum ersten Zimmer ist. Als ich Silja dazu befrage erklärt sie mir, dass der Anlauf sogar jeden Morgen der exakt selbe ist. Die Wiederholung soll Vertrautheit schaffen und den Patienten einen Wiedererkennungswert bieten, ähnlich einem sanften Wecker, der langsam lauter wird und einen sanft in den Tag starten lässt. Es gibt sogar Patienten, die nach einer Weile wesentlich schneller wach werden und sogar mitsingen. Diese Art der Aktivität und Motivation zeigen die Patienten ohne die Musik nicht.

Bevor es nach der musikalischen Weckrunde auf den Stationen wieder weitergeht hat Silja etwas Zeit, ihre Instrumente im Musiktherapieraum zu stimmen. Gerade in der kalten Jahreszeit müssen die Instrumente häufiger gestimmt werden, da sie sich durch die stärkeren Temperaturschwankungen schneller verstimmen.

Um 8 Uhr ist Zeit für das "Stationsradio". Mit Gitarre und Verstärker geht es auf einen Stationsflur einer Station der weiterführenden Reha und auf Höhe des Aufenthalts- und Essensraumes spielt Silja Improvisationen und Lieder auf der Gitarre, singt und informiert über den kommenden Tag ohne sich lautstark in den Vordergrund zu drängen. Vielmehr sollen alltägliche Abläufe begleitet werden. Der Platz ist so gewählt, dass möglichst viele Patienten zuhörend teilnehmen können, sei es während des Frühstücks im Gemeinschaftsraum oder durch geöffnete Zimmertüren.
Um jeden Tag musikalisch und inhaltlich abwechslungsreich zu gestalten, verfügt sie mittlerweile über viele selbst erstellte Liederhefte mit Hunderten von Liedern. Zusätzlich nutzt sie gern die verschiedensten, auch kuriose Feiertage als Anlass, um passende Lieder auszuwählen und etwas darüber zu erzählen. Dies sorgt für Abwechslung und manchmal auch für Erheiterung. Neben dem „Wetterbericht“ gibt es auch Hinweise auf Aktionen und Veranstaltungen in der Klinik, wie zum Beispiel unseren „Tag der Händehygiene“, der ab dem Mittag im Foyer der Klinik stattfand.


Mit ihrem Radio wechselt Silja wöchentlich zwischen den Stationen C2 und D2 der weiterführenden Reha, da sie beide Stationen gerne besucht, aber zeitlich leider nicht auf beiden sein kann.
Um 08:15 Uhr heißt es wieder einpacken und kurz zurück in den Musikraum.
Im Musikraum wird die Zeit genutzt um möglichst viele Wochenprotokolle und Berichte zu schreiben, sowie Patientenberichte auf allen Stationen zu lesen um herauszufinden, wem die Musiktherapie am meisten helfen könnte. Sie versucht auch den Patienten, die weniger Therapien erhalten, als Ausgleich etwas mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Heute hat sie mir zusätzlich noch meine Fragen beantwortet und interessante Musikinstrumente, wie die Klangwiege erklärt. Hierbei handelt es sich um ein beeindruckendes Instrument, in das sich die Patienten legen können und durch Saiten an den Außenwänden der Wiege können harmonische Klänge erzeugt werden, welche direkt auf den Körper übertragen werden und einerseits der Entspannung dienen, gleichzeitig durch die entstehende Vibration aber auch leicht anregend wirken. Kombiniert wird das Spielen auf den Saiten oft durch abgestimmtes Summen oder Singen, aber auch durch Fantasiereisen – je nachdem, welche Patienten in der Klangwiege liegen. Um den Transfer zu sparen, kann die Klangwiege auch aufgerichtet und vor oder hinter einen Rollstuhl gestellt werden. Hierbei ist der Effekt durch den fehlenden direkten Kontakt mit dem Instrument zwar geringer, jedoch auch deutlich spürbarer, wie Silja vom Feedback einiger Patienten weiß.


Nach einer kurzen Frühstückspause geht es wieder auf Station, diesmal um mit einem Ergotherapeuten gemeinsam an einem Patienten zu arbeiten, der koordinative Übungen für beide Hände benötigt. Um die Therapie abwechslungsreich zu gestalten und neue Impulse zu setzen, nutzen sie einfache Musikinstrumente wie eine Rassel um die Handmotorik zu fördern.
Direkt nach der Therapieeinheit geht es zurück in den Musikraum vor dem der nächste Patient von einer unserer Querschnittstationen bereits wartet. Auch bei ihm geht es um die eingeschränkte Handfunktion. Es bereitet dem Patiente durchaus Probleme die verschiedenen Schlägel festzuhalten und kontrolliert zu nutzen, sodass trotz anfänglicher Motivation es bei ihm zu Frustration kommt und er auffällig großen Redebedarf hat. Wir erfahren, dass er kurz vor der Entlassung steht und sich viele Gedanken über die Zukunft in den eigenen 4 Wänden macht. Silja nimmt das Gespräch sehr einfühlsam auf, lenkt den Patienten aber nach einigen Minuten zurück auf die Aufgabe, mit dem Ziel ihn auch durch diese Übungen bestmöglich auf sein Leben außerhalb der Klinik vorzubereiten.

Weiter geht es mit der ersten Gruppentherapie des Tages. Silja leitet gemeinsam mit einer Logopädin eine Aphasiegruppe und arbeitet mit ihnen an ihrer Sprechfähigkeit mithilfe von Rhythmen, Melodien und Liedern. Aphasiker leiden unter einer Beeinträchtigung des Sprachzentrums, welche zu Schwierigkeiten beim Sprechen, Verstehen, Lesen und Schreiben führen kann. Die Musiktherapie kann dabei helfen, da sie alternative Wege zur Sprachverarbeitung bietet und sich Patienten kreativ ausdrücken können und durch Melodien und Rhythmen sprachliche Fähigkeiten wiederentdecken oder wiederanbahnen können.

Nach der Gruppentherapie muss sich Silja beeilen, da ihr nächster Patient mit einem multiresistenten Keim besiedelt ist und in einem Isolierzimmer liegt. Auch für Silja bedeutet das ein Mehraufwand vor und nach der Therapie sowie die Auswahl spezieller Instrumente. „Hier wähle ich Instrumente, welche ich komplett reinigen und desinfizieren kann Instrumente, die nicht komplett desinfiziert werden können, müssen leider draußen bleiben, was die Therapiemöglichkeiten deutlich einschränkt. Eine Ausnahme bilden Gitarren, von denen habe ich mehrere ältere. Diese verbleiben für die Dauer des Aufenthaltes im Isolationszimmer und werden nach Entlassung des Patienten genau wie der Rest des Zimmers mit einer speziellen Desinfektionsmittellösung vernebelt“, erklärt sie mir auf dem Weg zum Zimmer.

Kaum ist die Einheit im Isolationszimmer vorbei, geht es zur nächsten Therapie wieder in den Musikraum, denn sie hat eine weitere Therapie mit einem Patienten der einen Neglect hat. Neglect bezeichnet eine neurologische Störung, die häufig nach Hirnverletzungen auftritt und in dessen Folge die Betroffenen häufig eine verminderte Wahrnehmung und Aufmerksamkeit für eine Seite ihres Körpers und ihrer Umwelt haben. Um dem entgegenzuwirken nutzt Silja verschiedene Übungen, um die räumliche Wahrnehmung des Patienten zu verbessern. So spielt sie ihm z. B. auf unterschiedlichen Trommeln Abfolgen vor, welche der Patient nachspielen soll. Besonders auf der vernachlässigten Seite spielt sie vermehrt die Instrumente an, um den Patienten zu fordern, mit der durch die unterschiedlich gestimmten Trommeln entstehenden Melodie aber auch eine Hilfestellung zu geben. Der Patient merkt im besten Fall, dass ein Ton fehlt und guckt sich intensiver um. So soll das Bewusstsein für vernachlässigte Bereiche wieder geschärft werden.

Zum Ende des Vormittages merke ich wie schnell die Zeit verflogen ist und wie vielseitig, vor allem aber auch anspruchsvoll die Arbeit ist und ein hohes Maß an fachlichem Wissen voraussetzt um den vielfältigsten Krankheitsbildern bestmöglich begegnen zu können.
Silja's Arbeit ist anspruchsvoll und erfordert viel Einsatz und Engagement, aber sie bringt nicht nur Heilung sondern auch alte oder neue Lebensfreude in das Leben der Patienten.

Autor: Paul Remde

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